Vier Merkmale einer agilen Organisation
Change Management

Vier Merkmale einer agilen Organisation

Auch außerhalb der IT kann man agil sein – doch wie funktioniert das? Was macht eine agile Organisation aus und wie funktionieren Teams und Management in so einem Rahmen? Ein Blick hinter die Kulissen.

Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass kurze Hosen, Turnschuhe und Vollbärte bereits die halbe Miete sind, wenn es darum geht, ein modernes Unternehmen zu sein. Doch diese Äußerlichkeiten sind bestenfalls Symptome eines weit darunterliegenden Trends namens Agilität. Doch auf Äußerlichkeiten kommt es nicht an und letztlich kann man auch in Anzug und Krawatte agil sein und in einer Bank oder einer Produktion genauso, wie in einem Startup oder einer IT Bude.

Die Frage lautet daher, wie sie aussieht, die agile Organisation des 21. Jahrhunderts. Was sind die Merkmale eines solchen Unternehmens?

 

1. Agile Kultur: “Culture eats strategy for breakfast” 

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, um zu beschreiben, was eine agile Organisation wirklich ist.  Doch das vermutlich entscheidende Merkmal ist gleichzeitig am schwierigsten zu messen: der Mindset bzw. die Kultur. 

Die Kultur eines Unternehmens ist das Produkt aus dem Mindset seiner Mitarbeiter. Das bedeutet dass jede Person in einem Team wirklich verstehen muss, was von ihm erwartet wird und Lust haben sollte, diese Rolle auszufüllen. Nur dann kann eine Organisation wirklich "agile" sein. Dazu gehört eine klare Kommunikation der Ziele und die Formulierung gemeinsamer Werte, Prinzipien und Methoden. Diese können ganz unterschiedlich ausfallen, auch unter den Teams innerhalb eines Unternehmens, sollten aber den agilen Prinzipien verpflichtet sein. Eine agile Kultur lebt vom Freiraum seiner Teilhaber. Zugleich aber auch von ihrem Commitment, ihrer Offenheit, Themen und Ideen gegenüber sowie ihrem Mut, neue Wege zu gehen. Und damit das gelingt, gehört dazu auch eine schonungslose Feedbackkultur.

Ein wichtiger und oft unterschätzter Aspekt ist außerdem der Grundsatz der kontinuierlichen Verbesserung. Dafür muss die Organisation aber auch darauf ausgerichtet und vorbereitet sein, sich regelmäßig anzupassen und Verbesserungen auch wirklich durchzuführen. Das ist keine leichte Aufgabe, doch nur so kann sichergestellt werden, dass man mit der Umwelt wirklich schritthält.

Die Kultur in einem Unternehmen ist also dann "agile", wenn sie sich schnell auf Veränderungen einstellt und diese selbst herbeiführt, wenn cross-funktionale Zusammenarbeit selbstverständlich und regelmäßiges und ehrliches Feedback Normalität ist und alle Mitarbeiter voll mit an Bord sind. Andernfalls ist das Ziel einer agilen Organisation kaum zu erreichen. Dieses Ziel ist nämlich keineswegs Agilität und Modernität als Selbstzweck, sondern ein schnelles, flexibles Unternehmer voller motivierter selbstverantwortlicher Mitarbeiter zu sein. 
 

2. Agile Organisation: Vom Baum zum Netzwerk

Zum Gelingen einer agilen Kultur gehört stets auch eine Organisation, die diese Arbeitsweise unterstützt. Daher geht die Tendenz weg von klassischen hierarchischen Strukturen und hin zu Netzwerken mit autonomen, agilen Teams unter agiler Führung. In einer agilen Organisation dominiert die Zusammenarbeit in produktiven Netzwerken mit persönlicher Verantwortung für sein Produkt oder Thema und einer offenen, direkten Kommunikation. Mitarbeiter und Teams fühlen sich selbst verantwortlich, suchen stets nach Verbesserungsmöglichkeiten und begrüßen Veränderungen. 

Es gibt dabei jedoch große Unterschiede, wie radikal Unternehmen sich organisatorisch der Agilität verpflichten. Das Spektrum reicht von Teams, die weiterhin klassisch hierarchisch organisiert sind, dabei aber trotzdem agilen Prinzipien folgen, bis hin zu reinen Netzwerkstrukturen. In diesen gibt es beispielsweise verschiedene agile Teams, die über gemeinsame Manager zusammengebunden werden und sich um ein zentrales Thema konzentrieren.

Jedes Unternehmen muss herausfinden, welche Struktur am besten passt. Wichtig ist aber die Offenheit, sich auch in klassischen Strukturen agil zu organisieren, dann sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Zudem ist in puncto Hierarchie Ehrlichkeit gefragt: Nur weil es kein Organigramm mit zehn Ebenen mehr gibt, heißt es nicht, dass diese Ebenen nicht existieren - und das muss auch nicht Schlechtes sein.

Hinzu kommen organisatorische Themen wie die Arbeitszeitgestaltung und die Frage, die Herrschaft darüber obliegt. Die einfache Antwort lautet: Menschen sollten entsprechend ihrer besten Fähigkeiten und Möglichkeiten arbeiten. Solange das Team funktioniert und effektiv arbeitet, sollten Ansätze wie Vertrauensarbeitszeit und Home Office selbstverständlich sein.

Beispiele für Unternehmen, die bereits vollständig nach agilen Prinzipien arbeiten und organisiert sind, findet Ihr in diesem Beitrag.

Agiles Management: Führung ist nicht gleich Führung

3. Agiles Management: Führung ist nicht gleich Führung

Eine besondere Herausforderung ist die Durchsetzung einer agilen Organisation oftmals für Führungskräfte. Das gilt besonders für diejenigen, die schon länge als Manager arbeiten. Unter Agilem Management versteht man indes ganz verschiedene Arten von Führung. Natürlich benötigt ein Team auch in einer modernen Organisation weiterhin Führung. Doch das, was darunter verstanden wird, hat sich geändert. Führung bedeutet hier nicht mehr das Ausüben von Macht und das Tragen der größten Verantwortung. Führung heißt, sein Team als Coach zu unterstützen und die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. 

Ein agiler Führungsstil ist immer davon bestimmt, dass Verantwortung abgegeben wird. Führungskräfte agieren mithin nicht mehr als Entscheider, sondern als Impulsgeber ihrer Netzwerke. Das Zusammenwachsen ganz unterschiedlicher Charaktere, Erfahrungen und Bedürfnisse innerhalb von Teams besitzt eine Dynamik, die nicht durch strikte Ansagen und eine absolutistische Mentalität zu handhaben ist.

Die unterschiedlichen Arten von Führungskräften lassen sich oftmals folgenden drei Idealtypen zuordnen: Erstens dem Funktionalen Manager (Chapter Lead), der sich durch besonders intensives Coaching auszeichnet und als erste Aufgabe hat, seine Mitarbeiter mit den besten Skills und Möglichkeiten auszustatten, ihre jeweilige Rollen eigenverantwortlich und bestmöglich auszufüllen. Zweitens dem Tribe leader, der für ein Thema oder ein Produkt gesamtverantwortlich ist, also eine Art Mini-CEO, etwa für ein Projekt, eine Funktionalität oder einen Geschäftsbereich. 

Drittens gibt es den Squad Leader, der einer kleinen, cross-funktionale Gruppe vorsteht, ohne der alleinverantwortliche Manager zu sein. Seine Aufgabe ist eher die eines Projektleiters, der bei der Planung und Orchestrierung von Aufgaben genauso hilft, wie bei der Entwicklung eines Teamgefühls. Zusätzlich ist er mit den Tribe Leadern und Funktionalen Managern im Austausch. Diese Rolle kann auch sehr gut auf zwei Personen aufgeteit werden um den Gewissenskonflikt zwischen kommerziellen und menschlichen Interessen zu balancieren. 
 

4. Agile Methoden: Ein Methodenmix für den Erfolg

In einem Umfeld, das durch agile Teams, passendes Management und eine Kultur der Agilität geprägt ist, können die richtigen Arbeitsmethoden nun ihre optimale Wirkung entfalten. Standup-Meetings, Scrum, Design Thinking und Kanban-Boards sind Beispiele agiler Methoden, die sich in der Praxis bereits vielfach bewährt haben.

Doch letztlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten und die meisten unterschieden sich nicht in der Güte, sondern bloß in ihrer Passgenauigkeit. Daher ist die Offenheit wichtig, dass für für verschiedene Aufgaben möglicherweise auch verschiedene Methoden gewählt werden. Es hat sich bewährt, dass die Teams ihre Methoden selbst wählen und im Sinne der Selbstorganisation entscheiden, mit welchen Mitteln sie den größten Mehrwert schaffen können.

Dabei ist die Grundidee der meisten Methoden ähnlich. Es geht darum, Offenheit zu befördern, Projekte und Verfahren flexibel zu gestalten und auch Umwege zuzulassen. Dafür nutzen agile Projekte ein iteratives Vorgehen, setzen auf schnelles Feedback, hohe Transparenz und meistens die Visualisierung von Themen.

Dabei ist es nicht wichtig, das Rad täglich neu zu erfinden. Und auch Agilität ist kein Wundermittel. Doch die Prinzipien, nach denen agile Organisationen arbeiten, haben bereits bewiesen, dass sie den Herausforderungen von Digitalisierung & Co. selbstbewusst entgegentreten können.