Die agile Transformation im Überblick
„It’s not the big that eat the small. It’s the fast that eat the slow.” So lautet ein beliebter Spruch in der Welt agiler Berater. Und tatsächlich werden die Märkte heute nicht länger ausschließlich von den großen, alteingesessenen Schlachtschiffen dominiert. Es scheint vielmehr so, dass die erfolgreichsten Unternehmen heutzutage diejenigen sind, die in der Lage sind, schnell und effektiv auf Veränderungen zu reagieren, ob das nun neue Bedürfnisse des Kunden oder des Marktes sind.
Und wenn einem Unternehmen das besonders gut gelingt, wird als Erfolgsfaktor häufig lobend von dessen „Agilität“ gesprochen. Doch:
Was ist diese „agile Transformation“ überhaupt?
Versuch einer einfachen Definition: Die agile Transformation ist der Versuch, ein Unternehmen so schnell und beweglich zu machen, dass es mit der Veränderung seiner Umwelt schritthalten kann. Dahinter steht die Erkenntnis, dass eine veränderte Art zu Denken und zu Handeln notwendig geworden ist, um als Organisation auch in Zukunft noch zu wettbewerbsfähig zu sein.
Diese neue Art zu Denken und zu Handeln wird unter dem Begriff der "Agilität" zusammengefasst. Der Ausdruck wurde von einer Gruppe Softwareentwickler geprägt, die in ihrem Agilen Manifest Prinzipien beschrieben haben, nach denen eine moderne IT funktionieren sollte (hier findet ihr mehr zum Agilen Manifest und zur Geschichte der Agilität). Demnach solle die Entwicklung von Software in selbstorganisierten, cross-funktionalen Teams geschehen und die höchste Priorität sollte immer sein, die Anforderungen der Kunden genau zu erfüllen, wobei auch Anforderungsänderungen immer willkommen und möglich sind. Eines der bekanntesten Produkte dieser Gedanken ist die Scrum-Methodik, mit der das Projektmanagement seither buchstäblich revolutioniert wurde (mehr zu Scrum und agilem Projektmanagement findet Ihr hier).
Doch der Siegeszug der agilen Prinzipien hat längst auch die Welt außerhalb der IT erreicht. Und es gibt gute Gründe, sich damit auseinanderzusetzen.
Warum sollte man das machen?
Die Gründe dafür, sich mit der agilen Transformation zu beschäftigen, sind vielfältig. Im Kern geht es immer darum, dass sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Welt verändert, rasant zunimmt. Die Ansprüche der Kunden und Konsumenten sind in den letzten Jahrzehnten unter anderem durch die Digitalisierung enorm gestiegen und es ist zunehmend schwierig geworden, damit Schritt zu halten.
Ein Beispiel: Nach der Erfindung des Telefons dauerte es etwa 75 Jahre, bis fünfzig Millionen Menschen eines besaßen. Das Internet benötigte für die selbe Anzahl von Nutzern noch vier Jahre. Facebook nur ein einziges. Pokemon Go benötigte 5 Tage (!), um 50 Millionen Nutzer zu erreichen. Und das war im Jahr 2016. Aber auch klassische Märkte müssen lernen, wie rasant Veränderungen eintreten: Ebenfalls 2016 übernahmen die Lippenpflegeprodukte von EOS in ihrem zweiten Jahr bereits die Marktführerschaft in Deutschland – vor dem langjährigen Platzhirsch Labello –, obwohl das Unternehmen in Deutschland seinerzeit nur zwölf Mitarbeiter beschäftigte.
Die Liste dieser Beispiele ist lang und zeigt, dass es nicht bloß um einen Trend geht, wenn von Agilität gesprochen wird. Die Zeiten, in denen sich Marktführer auf ihrer Größe und ihrem Namen ausruhen konnten, sind lange vorbei. Und viele Organisationen sind diesem Weg bereits teilweise oder vollständig gefolgt.
Und wie funktioniert das nun?
Das Problem: eine agile Transformation ist nicht bloß eine weitere Geschäftsentscheidungen vom Management. Die zentrale Herausforderung einer solchen Strategie ist die Anpassung der Kultur. Das benötigt Zeit, Mühe und einen professionellen Change-Prozess. Und damit die agilen Methoden auch wirklich die gesamte Organisation durchziehen, ist auch eine kulturelle Transformation notwendig. Oftmals müssen gewohnte Techniken überdacht und ganz neue Erfahrungen gemacht werden.
Das ist nicht immer leicht, zumal das agile Arbeiten auch nicht mit der Gießkanne etabliert werden kann. Schließlich arbeitet etwa ein Sachbearbeiter meist ganz anders als ein Projektmanager. Deshalb ist es wichtig, dass das Management mit gutem Beispiel vorangeht und sich selbst den agilen Prinzipien verpflichtet. Nur wenn die Führungskräfte bereit sind, diesen Weg wirklich mitzugehen und Verantwortung abzugeben, dann kann eine agile Transformation erfolgreich sein
Im Klartext bedeutet das, dass zu Beginn eines solchen Vorhabens eine Analyse über den Status Quo (z.B. in einem Agile-Maturity-Assessment oder mit Hilfe des Core Culture Questionnaire nach Wiliam Schneider) und eine Beschreibung des Weges durchgeführt werden sollte. Ein Pilot führt die festgelegten Prinzipien dann auf eine nächste Stufe. Das kann ein Projekt, eine organisatorische Entscheidung oder vieles andere sein. Dabei läuft so ein Vorhaben natürlich nicht starr ab. Die Idee ist ja gerade die Vielheit von Versuchen, das Erzwingen von Fehlern, das iterative Vorgehen und das gemeinsame Lernen. Insofern kann es keinen verantwortlichen Chef geben, der das agile Zielbild vorgibt. Stattdessen helfen agile Coaches, meistens von außerhalb, Ziele und Weg zu definieren und begleiten den Prozess dann moderierend.
In der Praxis hat es sich übrigens schon oft bewährt, in der IT zu beginnen. Im digitalen Projektgeschäft sind die agilen Methoden bereits lange und gut erprobt. Hier bietet sich ein bunter Blumenstrauß von Methoden an, die schnelle Erfolge zeigen und hervorragendes Anschauungsmaterial darstellen.
Unterm Strich: Was ist die Agile Transformation?
Die Agile Transformation ist die Ausrichtung eines Unternehmens nach agilen Prinzipien, um den Herausforderungen eines schnellen, disruptiven Marktes nach innen und außen gerecht zu werden. Sie ist kein Wundermittel und keine Freifahrtschein für Wildwuchs, sondern fußt auf klaren Methoden und Prinzipien und benötigt Zeit, um organisatorisch und kulturell verstanden und umgesetzt zu werden.
Es ist wichtig, die agile Transformation als das zu erkennen, was sie ist: eine langsame, aber stetige Umwälzung, keineswegs eine Revolution. Und dennoch ist nach ihr nichts mehr, wie zuvor. Und das gilt für einzelne Unternehmen genauso, wie für die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge gleichermaßen. Organisationen, die ihre Augen verschließen und ihren Kurs als solide, kriegserprobte Schlachtschiffe weiterfahren, werden früher oder später möglicherweise Schiffbruch erleiden.