Aufgehen im Flow – Zufriedenheit und Glück im Beruf und darüber hinaus
Wer sich mit dem Thema Flow näher befasst, wird zwangsläufig über den Namen Mihaly Csikszentmihalyi stolpern. Der ungarische Psychologieprofessor prägte den Begriff und veröffentlichte zu dem Thema diverse einschlägige Literatur. Um den Nutzen und die Wirkung von Flow wirklich zu verstehen, muss man zunächst einen Blick auf die Motivation werfen, die Csikszentmihalyi antrieb, diesen besonderen Zustand zu untersuchen.
Csikszentmihalyi wuchs im zweiten Weltkrieg auf. Als 8-Jähriger sah er Zerstörung, Angst und Menschen, die ihre Existenzgrundlage verloren. Er erkannte, dass die meisten der Erwachsenen um ihn herum, nicht in der Lage waren den Tragödien standzuhalten, die der Krieg mit sich brachte. Sie konnten kein glückliches, normales, zufriedenes Leben mehr führen, nachdem der Krieg ihnen Haus, Beruf und das Gefühl von Sicherheit genommen hatte.
Diese Erkenntnis brachte den jungen Csikszentmihalyi dazu, nachforschen zu wollen, was ein Leben nachhaltig lebenswert macht. Er suchte die Antworten in der Philosophie, Kunst und Religion und in diversen anderen Bereichen. Irgendwann landete er durch einen Zufall in einem Vortrag von Carl Jung, der ihn so beeindruckte, dass er schließlich Psychologie studierte und seine Antworten auf die Frage nach Lebenszufriedenheit in ihr suchte - und fand.
Was macht nachhaltig glücklich?
In diversen Studien fand er heraus, dass weder Wohlstand noch materielle Güter nachhaltig glücklich und zufrieden machen, viel mehr lag der Schlüssel zum Glück im Handeln. Seine Forschungen ergaben, dass sich glückliche Menschen häufig in einem Zustand des „Eins sein mit einer Tätigkeit“ befinden würden. Er suchte nach Menschen, die in ihrem Tun glücklich zu sein schienen und begann sie zu interviewen. Zunächst diverse Künstler, dann Wissenschaftler, hauptsächlich kreative Köpfe.
Er interviewte zum Beispiel einen Komponisten, der seinen Zustand, wenn er im Schaffen eines neuen Werkes völlig aufging, als Zustand der Ekstase beschrieb. Es wäre fast so, als würde er in diesem Moment gar nicht existieren.
Tatsächlich antworten Menschen, wenn sie befragt werden, was sie in ihrem Flow-Erlebnis gefühlt oder gedacht hatten, grundsätzlich: „Nichts.“ In diesem Zustand ist man so konzentriert auf das eigentliche Tun, dass man weder Hunger noch Durst verspürt, oder sich gar mit den allgemeinen Problemen des Alltags befasst. Die gesamte Aufmerksamkeit ist dem Gelingen der Aufgabe gewidmet, für alles andere bleibt kein Platz.
Csikszentmihalyi weitete seine Befragungen aus auf über 8000 Probanden, die in ihrem Beruf oder einer häufig ausgeübten Tätigkeit angaben, glücklich zu sein und ein zufriedenes Leben führten. Er befragte buddhistische Mönche, blinde Nonnen, erfolgreiche Geschäftsführer, Komponisten und Maler, Schäfer eines nordamerikanischen Indianervolkes und Kletterer im Himalaya. Sie alle beschrieben diesen Zustand, völlig in ihrem Handeln aufzugehen, es wäre als fließe die Verrichtung der Arbeit, die Komposition, das Tun aus ihnen hinaus. Daher bezeichnete Csikszentmihalyi diesen Zustand als „Flow“-Erlebnis.
So unterschiedlich die Erziehung, die Kultur und die Herkunft der Befragten war, sie gaben alle an zufrieden und glücklich zu sein und sich sehr häufig in dem beschriebenen Zustand des Flows zu befinden. Das regelmäßige Flow-Erlebnis schien sie also nachhaltig glücklich zu machen.
Die Befragten von Csikszentmihalyi gaben immer die folgenden Zustände an, die während des tiefen Flow-Erlebnisses erfüllt waren:
- tiefe Fokussierung auf die Aufgabe
- ein rauschartiges Gefühl, losgelöst vom Hier und Jetzt und Teil von etwas Größerem zu sein
- ein Gefühl von Klarheit, zu wissen was gefordert wird und wie man die Aufgabe löst
- das Wissen, dass die Aufgabe auch wirklich von einem selbst lösbar ist
- ein Gefühl der Gelassenheit, des Selbstvergessens
- die Abwesenheit jeglichen Zeitgefühls
- eine tiefe intrinsische Motivation das Ziel zu erreichen
Die Voraussetzungen für Flow
Der Komponist, der sich seiner Tätigkeit mit großer Leidenschaft widmen kann, ist wahrscheinlich glücklicher, als jemand, der an einem Fließband in einer lauten Fabrik steht. Oder eben auch nicht, wenn der Fließbandarbeiter sich auch bei seiner Arbeit in einem Flow-Erlebnis befindet. Wie inzwischen bewiesen ist, können Flow-Erlebnisse einen überall treffen – bei der Arbeit, beim Sport, selbst beim Putzen. Doch wie kommen wir nun zu diesem erstrebenswerten Zustand in unserer täglichen Arbeit, im Alltag, in unseren Hobbies?
Auch dafür liefert die Forschung von Csikszentmihalyi und anderen eine Antwort. Um ein Flow-Erlebnis zu haben, müssen wir uns einer Aufgabe widmen, die überdurchschnittliche Herausforderungen hat und überdurchschnittliche Fähigkeiten erfordert. Ihr Gelingen muss erreichbar sein, aber dieses Erreichen muss uns auch sinnvoll erscheinen. Am leichtesten fällt uns das, wenn wir uns einer Sache widmen, die wir wirklich gern tun. Nur muss uns diese Handlung auch fordern, das kann ein angeregtes Gespräch sein oder auch ein Bausatz eines aufwendigen Möbelstücks. Wenn wir nicht genug gefordert sind, müssen wir die Anforderungen erhöhen.
Das ist übrigens, was passiert, wenn Menschen beim Telefonieren beginnen zu zeichnen, häufig, wenn sie grade dem Gesprächspartner über längere Zeit zuhören – sie erhöhen die Anforderungen. Und so können sie auch beim Telefonat in einen Flow Zustand geraten. Einige Menschen berichten von einem Flow-Erlebnis während sie an einem Puzzle sitzen, manche hören währenddessen zusätzlich ein Hörspiel oder Musik – auch hier handelt es sich um die Erhöhung der Anforderungen. Wie diese empfunden werden, ist absolut individuell, genau, wie die Fähigkeiten, die jeder Mensch besitzt. Genau wie im beruflichen Kontext.
Zurück zum Flow
Sehen wir uns mit einer Aufgabe konfrontiert, die uns schwierig erscheint, kommen wir zunächst einmal in einen Zustand der Erregung. Widmen wir uns nun trotzdem der Aufgabe und erhöhen unsere Fähigkeiten, zum Beispiel, indem wir uns zu dem Thema belesen und weiterbilden, können wir schnell in den Flow gelangen.
Befinden wir uns im Zustand der Kontrolle, ist die Aufgabe mit unseren Fähigkeiten leicht zu erfüllen, wir sind zwar glücklich und zufrieden, aber geraten nicht in den Flow Zustand. Dazu müssen wir wieder die Anforderungen erhöhen, dies funktioniert zum Beispiel ganz einfach, indem wir uns eine Deadline festlegen, also uns ein wenig unter Zeitdruck setzen. Auch aus dem Zustand der Kontrolle kommen wir so relativ leicht in einen Flow-Zustand.
Ist die Aufgabe nun aber von den Anforderungen deutlich zu hoch, entspricht sie unseren Fähigkeiten nicht, sind Angst und Besorgtheit die Folge. Im schlimmsten Fall droht Apathie, in diesem Zustand haben wir überhaupt nicht mehr das Gefühl etwas zu tun, wir sind zudem traurig und deprimiert. Unterfordert uns unsere Tätigkeit hingegen, führt dies erst zur Entspanntheit, dann zur Langeweile. Keine Zustände, die uns kurzfristig unzufrieden machen, dennoch kann auch daraus schlussendlich Apathie entstehen. Laut Csikszentmihalyi befinden sich besorgniserregend viele Menschen in ihrem Berufsleben häufiger in einem Zustand der Apathie. Dauert dieser an, kommt es zu Krankheit oder Kündigung.