Kanban Bord
Agile Methoden

Kanban und Scrum im Vergleich

Kanban und Scrum sind vermutlich die bekanntesten Methoden aus der agilen Welt. Beide machen sich ähnliche Prinzipien und Praktiken zu Nutze und können ganz ähnliche Aufgabe erfüllen – trotzdem lohnt sich ein Vergleich. Denn bei genauerem Hinsehen gibt es große Unterschiede.

„Everyone has a plan until they get punched in the face.“ Was hat Mike Tyson mit Projektmanagement oder gar Agile zu tun? Ganz einfach: Der exzentrische Ex-Boxer hat erkannt, dass man in der Lage sein muss, alles über den Haufen zu werfen und auf Veränderungen zu reagieren, um zu gewinnen.

Und genau diese Stärke ist es, mit denen das agile Projektmanagement in den letzten Jahren seinen Siegeszug in die Unternehmen bestritten hat. Angeführt von Scrum und die Wände mit Kanban Boards gepflastert, sind die agilen Methoden aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken.

Scrum und Kanban teilen sich dabei einige zentrale Prinzipien. Beide Methoden setzen auf Transparenz und Visualisierung, um die Effektivität zu steigern, und auf ein iteratives Vorgehen mit begrenztem Workflow und möglichst kleinen Aufgabeneinheiten. Das Ziel dieser Verfahren ist es, möglichst schnell ein funktionierendes Produkt zu entwickeln und durch konstante Verbesserungen weiter zu optimieren.

So können beide helfen, den Herausforderungen einer disruptiven Umwelt zu begegnen. Doch welche Methode ist im Vergleich die Stärkere?

 

So funktioniert Kanban

Kanban ist, kurz gesagt, eine Methode zur Optimierung von Workflows und Tasks. Das wichtigste Kanban-Prinzip ist die Konzentration auf einige wenige Aufgabe, die gleichzeitig bearbeitet werden. Um das zu erreichen, nutzt Kanban einige einfache, aber effektive Wege.

Zentral ist die Visualisierung des Projektes und der Aufgaben auf einem Kanban Board. Die To-Dos stehen auf Karten, anfangs in der ganz linken Spalte. Im Laufe eines Projektes „bewegen“ sie sich nach rechts durch das Board. Im einfachsten Fall heißen die Spalten zum Beispiel „in Arbeit“ und am rechten Ende „erledigt.“ Wichtig ist dabei, dass es ein Limit gleichzeitig zu bearbeitender Aufgaben gibt, sodass Multitasking vermieden wird und sich jeder im Team auf das Wesentliche konzentrieren kann.

Gestützt werden Kanban Boards von verschiedenen Prinzipien, auf die sich das Team einigt und die unbedingt befolgt werden sollten. Dazu gehören meist der Rhythmus von Meetings am Board, die maximale Anzahl paralleler Arbeiten und, ganz wichtig, der Workflow, nach dem die Karten durch das Board bewegt werden. Nur mit solchen Regeln kann Kanban sein volles Potential ausschöpfen.

 

Stärken und Schwächen von Kanban

Bereits die Visualisierung hat einen äußerst positiven Effekt auf die Arbeit eines Teams. Jeder weiß zu jeder Zeit, was zu tun ist und wo wer gerade steht. Doch mindestens genauso wichtig ist die Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben und die Reduktion des Multitaskings. Durch den gesteigerten Fokus werden Aufgaben schneller und meistens präziser umgesetzt. Scope-Änderungen und neue Anforderungen können zudem schneller und flexibler bearbeitet werden, als in herkömmlichen Systemen. Die gestiegene „mittlere Durchlaufzeit“ eines Tasks kann gemessen werden und als Kennzahl für die Produktivität herhalten.

Doch auch Kanban ist kein Wundermittel. Oft scheitert die agile Arbeit in einem Unternehmen daran, dass sie als Freifahrtschein betrachtet wird. Das Konzept lebt jedoch von einem klaren Set an Regeln und Prinzipien, an die sich jeder im Team halten muss, um erfolgreich zu sein. Zudem hat Kanban ein „Komplexitätsmaximum“. Sehr umfangreiche, langwierige und vielschichtige Projekte übersteigen die Möglichkeit der Kanban-Boards.

» Noch mehr zum Kanban-System erfahrt Ihr in diesem Beitrag

 

So funktioniert Scrum

Scrum kann hierauf die Antwort sein. Die Methodik kommt aus der Softwareentwicklung und wurde von einer Gruppe IT-Manager erdacht, um der Überzeugung gerecht zu werden, dass Anwendungen niemals „fertig“ sein können. Um also immer neuen und wechselnden Anforderungen gerecht zu werden, versteht Scrum alles als Iteration oder Version, nicht als abgeschlossenes Produkt.

Die Methode ist dabei grundsätzlich recht einfach. Alle Aufgaben in einem Projekt stehen priorisiert im so genannten Backlog. Ein machbarer Teil davon wird für eine definierte Periode, meist 2-3 Wochen, zusammengefasst und bearbeitet. Diese Zeit nennt sich Sprint. Währenddessen werden keine Aufgaben hinzugefügt oder verändert. Wichtig ist außerdem, dass die Arbeitspakete so klein geschnitten sein müssen, dass sie innerhalb eines Sprints erledigt werden können. Mit täglichen Meetings an einem Scrum-Board, das übrigens durchaus aussehen kann wie ein Kanban-Board, wird der Fortschritt begleitet.

Nach jedem Sprint gibt es ein Sprint Review mit offenem Feedback aller Beteiligten und dem Release des Sprint-Ergebnisses zum Produkt, etwa als Update der Software. Mithilfe des Product Backlogs folgt die nun Planung eines neuen Sprints, der anschließend nach gleichen Regeln abläuft. Dabei kennt das Regelwerk mehrere definierte Rollen. Die Wichtigsten sind der Product-Owner, der Scrum-Master und das Team selbst. Daneben gibt es aber beispielsweise auch noch Spezialisten und Stakeholder.

 

Stärken und Schwächen von Scrum

Auffällig ist im Vergleich die höhere Komplexität von Scrum. Das strengere und deutlich umfangreichere Framework umfasst genaue Definitionen und Regeln, deren Einhaltung für den Erfolg eines Projektes wichtig sind. Die Einstiegshürde ist daher deutlich höher und jedes Projekt eine Person, den Scrum-Master, der sich gut in der Materie auskennt. Außerdem erfordert die Methode ein hohes Commitment des Teams und ist daher nicht für alle Gruppen geeignet.

Demgegenüber belohnt es jedoch gut funktionierende Teams mit einer hohen Erfolgschance und einem sehr transparenten, gut erprobten Verfahren. Mit Scrum können auch sehr komplexe Projekte bewältigt werden, da das Scrum-Framework auch für Großvorhaben ausreichend Halt bietet. Trotz oder gerade aufgrund des klaren Regelwerkes bleibt Scrum in der Ausgestaltung flexibel, ermöglicht einen schnellen, effektiven Projektverlauf und erlaubt es hervorragend, Anforderungs- und Prioritätsänderungen abzubilden.

 

Scrum vs. Kanban – wer ist der Gewinner?

Was heißt das alles nun für die große Frage, welches System das Bessere ist? Ein Jurist würde vermutlich sagen: Es kommt darauf an.

Fakt ist, die Entscheidung, ob Kanban oder Scrum besser ist, hängt immer von dem jeweiligen Projekt ab. Während Kanban durchaus auch für klassische Vorhaben und Routineaufgaben geeignet ist, ergibt Scrum nur für Kreativprojekte Sinn. Als Fingerzeig könnte man sagen: je kreativer und größer ein Projekt ist, desto besser ist Scrum geeignet. Dabei kann Kanban als Methode zur Visualisierung innerhalb eines Scrum Projektes immer noch gut funktionieren.

Während Scrum außerdem nur als Methode für ein Team sinnvoll ist, kann Kanban auch Einzelkämpfern helfen. Das so genannte Personal Kanban kann sowohl im Rahmen eines größeren Kanban Projekts, als auch zur vollständigen Selbstorganisation genutzt werden.

Die Frage Scrum vs. Kanban ist also letztlich nicht korrekt gestellt. Richtig wäre: Wann Scrum und wann Kanban? Innerhalb des agilen Projektmanagements haben jedenfalls beide ihren Platz.