• 6 Oct 2020
  • Change-Management

Stop starting, start finishing

Kanban ist eine evolutionäre Change Management-Methode. Sie bietet die Möglichkeit, Schritt für Schritt zu lernen und zu erkennen, wo das Problem liegt. Damit schafft sie einen Rahmen zur kontinuierlichen Verbesserung.

Kanban ist seit Jahren eine beliebte Methode in Organisationen. Es hilft, Prozesse zu visualisieren und in kurzen Iterationszyklen zu optimieren. Es lässt uns erkennen, wo die Probleme liegen und bietet Möglichkeiten, diese zu ändern. Kanban enthält Kaizen als festen Bestandteil und somit eine Kultur des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (siehe Infokasten).

Ein weiterer zentraler Bestandteil ist die Einführung einer Begrenzung der in Arbeit befindlichen Aufgaben, die sogenannten WIP (Work in Progress)-Limits. Diese sorgen für den nötigen Fokus, damit es vorangeht. Es gibt sechs Prinzipien und sechs Praktiken, auf denen Kanban aufbaut. Um zu erklären was Kanban ideal für das Change Management macht, schauen wir uns die folgenden vier genauer an:

  • Prinzip 1: Beginne mit dem, was Du jetzt tust
  • Prinzip 2: Vereinbare durch evolutionäre Veränderungen, eine Verbesserung anzustreben
  • Praktik 5: Feedback-Schleifen einführen
  • Praktik 6: Gemeinsam verbessern, experimentell weiterentwickeln

So funktioniert Kaizen in Kanban

Wir bilden das ab, was und wie wir es gerade tun (Prinzip 1). Danach unterhalten wir uns gemeinsam regelmäßig im Stand-up vorwiegend über Blockaden, messen Durchlaufzeiten (Prinzip 2) und unterhalten uns ein- bis zweimal monatlich in einer Retrospektive (Praktik 5) darüber, zu welchen Problemen es seit der vergangenen Retrospektive gekommen ist.

In der Retrospektive beleuchten wir die Gründe dieser Probleme und diskutieren die „gewinnbringendste“ Veränderung, die uns helfen würde, dieses Problem zu beheben. Wenn die Lösung nicht offensichtlich ist, führen wir probeweise einen Lösungsansatz in Form eines kleinen Experiments ein und schauen in der nächsten Retrospektive, ob dieser Erfolg gebracht hat. Wenn ja, wird dieser beibehalten, wenn nein, wieder zurückgerollt (Praktik 6).

So passen wir ein existierendes System nach und nach an eine andere oder neue Umwelt an. 

Wenn Kanban in die DNA des Systems übergegangen ist, dann ergibt sich daraus der Effekt, dass dieses System sich automatisch und kontinuierlich an sich verändernde Umwelten anpasst. Genau das ist Evolution. 

Iteratives Vorgehen

Kanban als Change-Methode macht überall dort Sinn, wo iterativ vorgegangen werden kann. Das ist häufiger als man vermutet. Natürlich möchte man zum Beispiel bei lebenserhaltenden Maschinen auf der Intensivstation keine „Experimente“ machen. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass nicht alle Intensivstationen eines Krankenhauskonzerns gleichzeitig auf eine neue Technik umgestellt werden, sondern in einer Station angefangen und dort dazu Erfahrung gesammelt wird. Auf Basis dieser Erfahrung wird dann eine zweite Station noch besser angepasst. Es wird also nicht für alle Stationen vorab geplant, sondern die initiale Planung bleibt schlank.

So könnte zwar eine Preisreduktion durch eine Großabnahme verloren gehen, allerdings ist der Chance einer Fehlplanung bzw. Fehlanpassung gering. Viele Change-Projekte werden entweder nie implementiert oder zurückgerollt. Und wenn es eine große Implementierung war, ist der Schaden und die
Frustration immens.

Wir setzen uns daher nicht zwei Jahre zum Theoretisieren hin, sondern theoretisieren so viel wie nötig, um den ersten Schritt zu machen, Erkenntnisse zu sammeln und anschließend den zweiten Schritt zu planen. 

Oftmals treten dadurch ganz neue Aspekte auf, die zuvor unsichtbar waren oder das Umfeld überrascht uns mit neuen Möglichkeiten oder technischen Errungenschaften.

Überall dort allerdings, wo ein experimentelles Vorgehen absolut unmöglich ist, wird Kanban nicht voll zum Zuge kommen können. 

Die gesamte Wertschöpfungskette im Blick

Die Kerneigenschaften (Prinzipien und Praktiken) von Kanban sind recht breit formuliert und geben keine Auskunft darüber, wo im Unternehmenskontext sich Kanban einbetten lässt. Trotzdem gibt es häufig den Irrtum, dass Kanban ein agiler Ansatz zur Team-Optimierung sei. Es kann durchaus auf Team-Ebene eingesetzt werden, es hat jedoch stets die gesamte Wertschöpfungskette im Blick. Um eine bessere Orientierung zu liefern, wo im Unternehmen Kanban eingesetzt werden kann, wurde das Modell der Flight Level entwickelt.

  • Flight Level 1 – Operative Ebene
  • Flight Level 2 – Koordination
  • Flight Level 3 – Strategisches (Portfolio-)Management

Mit den drei Flight Levels ist es möglich, Kanban über die komplette Organisation zu skalieren und so das gesamte System dem evolutionären Wandel zu unterziehen.

Vertrauen schaffen

Veränderung hat sehr viel mit einem Sicherheitsbedürfnis zu tun und dies ist ein persönliches Bedürfnis. In Systemen, in denen viele Menschen mit einem höheren Sicherheitsbedürfnis agieren, können Experimente ein sehr hilfreiches Mittel sein. Einen Schritt zu tun, von dem man weiß, dass er nach Implementierung kaum Chancen hat, wieder zurückgenommen zu werden, wird für einen sicherheitsbedürftigen Menschen Anlass zur Sorge sein. Ist der Schritt allerdings klein und als Experiment angelegt, ist die Implementierung vom erfolgreichen Ausgang des Experiments abhängig. 

So haben die Kollegen und Kolleginnen die Sicherheit, dass nichts implementiert wird, was die Situation nicht verbessert. Das schafft Vertrauen. 

Weiterhin wird nicht zu Anfang ein riesiges Konzept erarbeitet, was sehr viel gleichzeitig ändert. Das gibt den Menschen die Möglichkeit, mit der Veränderung mitzukommen und sich daran zu gewöhnen. Deswegen beginnt Kanban dort, wo wir aktuell sind: „Start where you are“ und geht in kleinen iterativen Schritten voran.

Als Kanban Coach wird man in den Retrospektiven oft gefragt was denn ein vernünftiger nächster Schritt sein könnte. Das ist nicht immer einfach, denn werden die „falschen“ Schritte vorgeschlagen, also Schritte, die nicht dem Reifegrad des Systems entsprechen, werden Menschen überfordert und Vertrauen zerstört. Um zu erkennen, wo sich ein System im Reifegrad befindet, bringt Kanban das Kanban Maturity Model (KMM) mit, mit Hilfe dessen wir nicht nur den Reifegrad herausfinden, sondern auch sinnvolle von unsinnigen nächsten Schritten unterscheiden können. 

Infobox - Die wichtigsten Kanban-Elemente

Kanban-Board
Kanban-Prinzipien
Kanban-Praktiken
Kaizen
Stand-Up
Retrospektive

Don't get set into one form, adapt it and build your own, and let it grow, be like water.

Bruce Lee